Nach dem Blackout in Spanien richtet sich hierzulande der Blick auf Solartechnik aus China
Von Ingor Steinle
Vollständig geklärt sind die Um-stände des Blackouts auf der Iberischen Halbinsel noch immer nicht. Ende April legte ein massiver Stromausfall große Teile Spaniens und Portugals lahm. In Madrid fielen Ampeln aus, in Lissabon blieben U-Bahnen stecken, in Kliniken übernahmen Notstromaggregate die Energieversorgung.
Seitdem fragen sich auch in Deutsch-land viele: Könnte so etwas auch hier passieren? Die Bundesnetzagentur wiegelt ab. Die Stromversorgung in Deutschland sei „sicher“, ein solch großflächiger Ausfall „sehr unwahrscheinlich“, betonte die Behörde. Doch auch Spanien galt bis vor wenigen Tagen als Land mit vorbildlicher Strominfrastruktur. Der Vorfall zeigt: Selbst in hoch entwickelten Energiesystemen kann eine einzige Störung genügen, um eine Kaskade von Ausfällen auszulösen.
Unabhängig vom Auslöser des jüngsten Blackouts rücken daher nun Komponenten in den Fokus, die bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhielten: Wechselrichter. Diese Geräte, das Herz-stück jeder Solaranlage, wandeln den von den Modulen erzeugten Gleichstrom in netzfähigen Wechselstrom um. Sie steuern die Einspeisung ins Netz und sind zunehmend internetfähig, etwa für Softwareupdates, Fernwartung oder die Anbindung an Cloudplattformen. Genau das macht sie allerdings angreifbar. Die Sicherheitsfirma Forescout warnt in einem aktuellen Bericht, Schwachstellen könnten „von Dritten ausgenutzt“ werden – bis hin zur „vollständigen Fernsteuerbarkeit“.
Offizielle Stellen in Spanien schließen einen Cyberangriff als Ursache des Stromausfalls aus. Dennoch handelt es sich bei den Warnungen nicht um Panikmache. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hält es für denkbar, dass Angreifer durch massenhafte Abschaltungen von Wechselrichtern gezielt Instabilitäten im Stromnetz auslösen könnten – sogar staatliche Akteure. Die Gefahr bestehe, dass „die Zentralregierung in Peking über die internetfähigen Komponenten von Solaranlagen direkten Einfluss auf einen systemrelevanten Teil der deutschen Stromversorgung nehmen“ könnte, zitieren Medien aus einem internen BSI-Bericht.
Wechselrichter, wie auch Wärmepumpen, Batteriespeicher oder Wallboxen, hätten einen „erheblichen Einfluss auf die Stabilität des europäischen Verbundnetzes und damit auf die Versorgungssicherheit“, sagt ein BSI-Sprecher dieser Redaktion. „Eine Übernahme und gezielte Steuerung könnte daher nach Ansicht des BSI die Netzstabilität in der EU gefährden.“
Besonders brisant dabei: Der Markt für Wechselrichter ist hochkonzentriert. Vier der sechs größten Hersteller stammen aus China. Huawei allein kontrolliert mehr als 100 Gigawatt installierter Leistung weltweit – mehr als in ganz Deutschland derzeit am Netz ist. Eine koordinierte Abschaltung von nur zwei Prozent der europäischen Solarleistung würde laut Forescout bereits ausreichen, um im schlimmsten Fall großflächige Stromausfälle auszulösen.
Auch innerhalb der Solarbranche wächst das Unbehagen. Der europäische Branchenverband SolarPower Europe hat Berichten zufolge Huawei im Zuge von Korruptionsermittlungen kürzlich ausgeschlossen. Die EU-Kommission hatte ihre Zusammenarbeit mit Verbänden eingeschränkt, in denen Huawei Mitglied ist
„Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn Huawei 100 Gigawatt vom Netz nimmt“, warnt der niederländische Europaabgeordnete Bart Groothuis in der „Wirtschaftswoche“. Würde das in Deutschland passieren, hätte wegen der zentralen Lage halb Europa keinen Strom mehr.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung auf die neue Gefahrenlage reagiert. „In der Kritischen Infrastruktur sollen künftig nur Komponenten aus vertrauenswürdigen Staaten verbaut werden“, heißt es. Das BSI fordert jedoch noch schärfere Konsequenzen: Alle Energiewendeanlagen sollten „vor dem Inverkehrbringen einer externen Begutachtung unterliegen“.
Was aber tun mit Herstellern, die grundsätzlich nicht vertrauenswürdig sind, wie etwa Huawei? „Hier kommt nur eine politische Lösung infrage etwa durch Ausschluss aus dem europäischen Binnenmarkt“, heißt es beim BSI. Allerdings sind bereits Millionen chinesischer Wechselrichter im Einsatz, Schätzungen zufolge stammen rund 80 Prozent der in Deutschland verbauten Geräte von chinesischen Herstellern.
Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt auf Nachfrage, dass viele Hersteller sich Online-Zugriffsmöglichkeiten auf ihre Wechselrichter vorbehalten „auch chinesische“. Gemeinsam mit dem Innenministerium und dem BSI sehe man „grundsätzlichen Handlungsbedarf“ beim Einsatz von Komponenten nicht vertrauenswürdiger Hersteller, so ein Sprecher. Eine Bewertung der sicherheitspolitischen Folgen vermeidet das Haus allerdings.
Das Stromsystem in Deutschland gehöre aber zu den sichersten der Welt, heißt es hingegen. Als Schlüssel für eine noch widerstandsfähigere Infrastruktur nennt das Bundeswirtschaftsministerium den beschleunigten Ausbau von digitalen Smart Metern also intelligenten Stromzählern.
BNN vom 16.05.2025